Produkte verändern sich, Gewohnheiten wandeln sich, Zielgruppen entwickeln sich weiter – und unsere Antworten müssen folgen, manchmal sogar dringend. Um in einem solchen Umfeld relevant zu bleiben, braucht es mehr als Reaktionsfähigkeit: Es braucht Voraussicht, ein feines Gespür für versteckte Signale und eine klare Vorstellung von den Herausforderungen der Zukunft.
In diesem Sinne arbeitet Sucht Wallis. Antizipation bedeutet nicht, die Zukunft vorherzusagen, sondern heute die Voraussetzungen zu schaffen, um morgen handlungsfähig zu sein. Dazu braucht es kompetente Mitarbeitende, flexible Strukturen und eine Führung, die langfristig denkt. Ebenso notwendig ist eine klare politische Positionierung. Denn ohne eine starke, kohärente und entschlossene kantonale Politik kann es keine wirksamen Antworten auf die Herausforderungen der Sucht geben. Eine Politik, die über punktuelle Massnahmen hinausgeht und Prävention, Therapie und Beratung, Schadensminderung und Repression miteinander verbindet.
2024 feiert Sucht Wallis sein 70-jähriges Bestehen. Dies ist nicht nur ein symbolisches Datum, sondern auch eine Anerkennung der Fähigkeit einer Institution, zu bestehen, sich weiterzuentwickeln und mit der Zeit zu gehen. Gleichzeitig ist es eine Einladung, unser kollektives Verhältnis zu Suchtfragen kritisch zu hinterfragen. Zu oft ist dieses noch von Vorurteilen, Ängsten oder gar Ablehnung geprägt. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft, in der die Debatte über Ideen immer ärmer wird, ist es unerlässlich, die Komplexität wieder sichtbar zu machen. Sucht zu entstigmatisieren bedeutet, daran zu erinnern, dass sie häufig ein Symptom für ein unsichtbares Leiden ist. Es bedeutet Empathie statt Misstrauen, Fürsorge statt Kontrolle.
Diese Entstigmatisierung kann nicht ohne eine kohärente Politik erreicht werden – aber auch nicht ohne die Arbeit vor Ort, die Tag für Tag die Relevanz einer engagierten Betreuung unter Beweis stellt. In diesem Sinne strukturiert Sucht Wallis seine Dienstleistungen: Aus der Isolation heraustreten, auf die Menschen zugehen. Wir müssen in Begriffen von Wegen, Mobilität und Modularität denken. Flexibilität ist der Schlüssel zu Kohärenz.
Sucht Wallis will dort präsent sein, wo die Menschen sind: auf der Strasse, im Spital, im Gefängnis, zu Hause oder in einer Institution. Dies erfordert eine Vielfalt von Berufen, sich ergänzende Profile und spezifische Kompetenzen, um die rund 2’000 Personen, die sich jedes Jahr an uns wenden, bestmöglich zu begleiten.
An dieser Stelle möchte ich allen Mitarbeitenden von Sucht Wallis meinen herzlichen Dank aussprechen. Ihr Engagement, ihre Reflexionsfähigkeit und ihr ethisches Bewusstsein sind die Säulen, auf denen unsere Handlungsfähigkeit ruht. In einer sich ständig wandelnden Welt, in der Gewissheiten schnell ins Wanken geraten, bleibt unser gemeinsamer Wille, zu verstehen, zu unterstützen und menschlich zu handeln, unsere beste Waffe.

Thomas Urben
Direktor